Wir freuen uns sehr, einer Auswahl von Blogartikeln aus dem Musterwandler-Blog, der nicht mehr fortgeführt wird, hier im Forum Agile Verwaltung ein neues Zuhause bieten zu können. Wir wünschen euch eine spannende Lektüre.
Spreche ich mit Kolleginnen und Kollegen, dann fällt immer wieder mal auf, dass ein Aspekt häufiger genannt wird: Vertrauen. Es braucht mehr Vertrauen – untereinander, zwischen den Bereichen, zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen – so scheint es der Wunsch mehrerer Kolleginnen und Kollegen zu sein.
Jetzt ist das mit dem Aufbau von Vertrauen so eine Sache. Das funktioniert nicht mal einfach so – Vertrauen entsteht vor allem dadurch, dass Menschen bereit sind, Vertrauen zu schenken und eine Beziehung einzugehen. Insofern sind wir alle gefragt, wenn es darum geht, das Vertrauen untereinander zu stärken. Vielleicht gibt es aber etwas, dass uns dabei unterstützen kann.

Working out loud
In dem wöchentlichen Newsletter von John Stepper, Erfinder von Working out loud (WOL), habe ich neulich folgendes Zitat gelesen:
“In these challenging times I read a lot and talked to different people about networking and building trust in the digital space. Is it possible at all? How can it be done? […]
Although I haven‘t met my Circle mates in person, they know more about me, my personal life and my work than most of my direct colleagues. Although we come from different fields of study and work on different projects, we created a space where we can grow and where we absolutely trust and support each other in reaching our goals.
For me this is a really eye-opening experience and it shows me that creating trust and team spirit is definitely possible in the digital environment.”
Ricarda, Teilnehmerin an einem WOL-Circle, zit. n. John Stepper, 13.05.2020
Was verbirgt sich hinter Working out loud? Nachdem eine Bekannte davon so sehr geschwärmt hatte, wollte ich das selbst wissen. Von ihr wusste ich, es handelt sich um ein zwölf-wöchiges Programm, welches in kleinen Gruppen – sog. Circles von 4-5 Personen – absolviert wird. Jede*r verfolgt dabei ein eigenes Ziel. Um nun mehr darüber zu erfahren, hätte ich mich nun einfach durch die Website lesen oder das zugehörige Buch bestellen können. Stattdessen habe ich mich für den Selbstversuch entschieden und Mitte Januar via Circlefinder und Twitter Gleichgesinnte gesucht, die mit mir als Newbies WOL ausprobieren wollen. Mein persönliches Ziel: Ich möchte mich intensiver mit Working out loud beschäftigen und herausfinden, für welche Bereiche innerhalb unserer Hochschule es sich eignen könnte.
Gestartet sind wir – so war es von Anfang an geplant – Ende März, kurz nach dem Lockdown. Einmal pro Woche treffen wir uns für ca. eine Stunde und gehen die wöchentlichen Aufgaben durch, die uns der jeweilige Circle Guide vorgibt. Diese Zeit und noch ein klein wenig mehr genügt bereits, um sich in kleinen Schritten dem persönlichen Ziel zu nähern. Das funktioniert selbst jetzt relativ gut, obwohl wir alle durch die aktuelle Situation stark gefordert sind.
„Fakten über dich“ (Woche 5)
Mein bisheriges Highlight war der Faktencheck in Woche 5. Die Aufgabe lautete: Sammle 50 Fakten über dich (und stelle anschließend fest, wie schnell du eine Beziehungsebene zu einer fremden Person aufbauen kannst, wenn du ein paar Fakten von dir teilst). Puhhh. 50 Fakten über mich. Das klingt nach ganz schön viel. Aber gut – wie immer bei WOL gilt – wenn’s weniger ist, ist’s auch okay. Also, die Zeit läuft. Und siehe da, mit Hilfe der Beispiele von John Stepper geht das auch ganz einfach. Ich bin beispielsweise in Nordhessen aufgewachsen, seit über 20 Jahren ernähre ich mich vegetarisch, mit meiner Partnerin lebe ich zusammen in Recklinghausen in einem Fachwerkhaus, gemeinsam haben wir einen Hund. Ich mag Urlaube mit Bewegung, war in Ländern wie Neuseeland, Australien, Rumänien, Island und Südtirol und reise gern unabhängig mit dem Bulli.
Ehe ich mich versehen habe, ist die Zeit um. Ich versuche zu zählen – > 40 Fakten konnte ich finden. Mit etwas mehr Zeit wären wohl auch die 50 drin gewesen. War dann doch irgendwie ganz einfach.
So richtig spannend wird es dann aber erst danach, wenn die Fakten zum Gesprächsthema werden. Ich fand’s ganz faszinierend, dass wir direkt Anknüpfungspunkte hatten. Der „Wald“ einte uns, jede hatte ihre eigene Beziehung dazu und wir sprühten vor Ideen, wie sich der Wald in einem Gespräch präsentieren ließe. Mit Fremden fühlt sich das eventuell merkwürdig an, aber in unserem Circle festige es sofort das Gefühl von Zugehörigkeit.
Hat sich beim Lesen meiner Fakten oben nun jemand: „Ich auch!“? Von welcher Emotion wurden diese Gedanken begleitet? – Vermutlich haben Sie den Effekt der Aufgabe gespürt. Gemeinsamkeiten führen zu einem Gefühl der Verbundenheit und schaffen damit eine Vertrauensbasis.
Die fünf Prinzipien von Working out load
- Beziehungen pflegen (Relationships)
- Eigene Arbeit sichtbar machen (Visible Work)
- Großzügig teilen (Generosity)
- Zielgerichtet weiterentwickeln (Purposeful Discovery)
- Miteinander wachsen (Growth Mindset)
Es kann somit dazu beitragen, in kleinen Schritten selbstgesteckte Ziele zu erreichen und gleichzeitig die Beziehung zu anderen Menschen zu vertiefen. Und dies wiederum ist ein Schritt in Richtung Vertrauen untereinander. Das schöne daran: Jede*r von uns kann jederzeit damit starten!
Einladung zum Weiterdenken
Interesse bekommen, über Working out loud im Hochschulkontext weiter nachzudenken? Monika Schlatter von der FH Nordwestschweiz lädt am 23.06.2020 um 10 Uhr zum zweiten Mal zu einem Austausch darüber ein, ob und wie WOL sich in Hochschulen einsetzen lässt – Kenntnisse über Working out loud werden vorausgesetzt.