Vordergründig geht es in diesem Artikel um ein trockenes Thema: nämlich die Einführung der sog. „E-Akte“ oder elektronischen Akte. Im Hintergrund aber spielt sich – den Beteiligten oft gar nicht bewusst – ein Tauziehen ab, ob mit der ersten Stufe der E-Akte alte Verhältnisse zementiert werden oder ob zumindest die Möglichkeit für neue Arbeitsmethoden offen gehalten wird.
Um die Kommunalverwaltungen, die sich jetzt schon das Thema „Einführung von Dokumenenmanagement“ auf die Agenda geschrieben haben, zu unterstützen, haben wir ein Whitepaper geschrieben mit dem Titel „Prozessorientierte E-Akte“, das wir unseren Lesern zum Download bereitstellen. Aber das Thema ist nicht wirklich „E-Akte“, sondern „Arbeitsmethoden der Zukunft jenseits der Silostrukturen“.
Die Strategie der Bundesverwaltung
Die Bundesverwaltung hat bereits 2016 einen „Basisdienst E-Akte (DMS) für die Bundesverwaltung“ ausgeschrieben. /1/ Mit „Basisdienst“ ist gemeint, dass im wesentlichen die Überführung von Papierakten in elektronische Akten geleistet werden soll. Die grundsätzliche Struktur der Papierwelt wird in die elektronische Welt mittransportiert.
Für spätere Zeitpunkte ist dann der Übergang zu einer elektronischen Vorgangsbearbeitung geplant. Die zeitliche Abfolge
„erst ein Basisdienst mit Beibehaltung der bisherigen Arbeitsweisen,
dann eine Umstellung dieser Arbeitsweisen“
erscheint wenig sachgerecht. Chaotische Verhältnisse, wie sie auf den Windows-Servern herrschen, werden in die E-Akte transportiert und dort verfestigt. Sie später aufzulösen, wird sehr schwer sein.
Die Vorgehensweise des federführenden Bundesinnenministeriums ist extrem ungewöhnlich. Sie stieß bei vielen Experten auf Kritik. Der „Behördenspiegel online“ beispielsweise bemerkt: „Besonders problematisch hierbei ist die Trennung von E-Akte und Vorgangsbearbeitung, die in dieser Form nicht marktüblich ist. Ein Blick über den Tellerrand hätte hier den Blick schärfen können: Dänemark, Schweiz, Österreich – alle im Bereich E-Akte führenden europäischen Staaten haben die E-Akte und die Vorgangsbearbeitung zusammen ausgeschrieben.“ /2/
Unterstützung von Teamarbeit
Wir möchten gerne die Kommunalverwaltungen, die noch kein DMS beschafft haben und noch nicht unter dem gleichen Zeitdruck wie die Bundes- und Landesregierungen stehen, dabei unterstützen, einen eigenen, erfolgversprechenderen Weg zu finden. Unsere Grundüberlegung dabei ist: Verliert euch nicht (nur) in technischen Details wie elektronischer Signatur, Schnittstellen zu 125 Fachverfahren oder Posteingangsworkflow. Das sind alles auch wichtige Themen, aber nicht die wichtigsten und vor allem nicht die ersten.
Die erste Frage ist immer: „Wie wollen wir künftig – in den nächsten 10, 20, 50 Jahren – Verwaltungen – um unsere Aufgaben im Dienst der Mitbürger besser (und für uns stressfreier) erledigen zu können?“ Erst wenn wir uns auf eine solche Vision verständigt haben, können wir uns über die technische Umsetzung unterhalten.
Das gilt für alle Verwaltungen, ob sie nun „agile“ Visionen vor Augen haben oder eher klassische.
Aus agiler Sicht aber sehen wir einen wichtigen Trend, nämlich: Die öffentliche Verwaltung wird nur dann ihren Aufgaben künftig nachkommen können, wenn sie die Produktivität ihrer Mitarbeiter erheblich steigert. Insbesondere der demografische Wandel, durch den ein Großteil der aktuellen Beschäftigten im nächsten Jahrzehnt aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden wird, agiert hier als Treiber. Und in der Konkurrenz mit anderen Arbeitgebern auf dem Arbeitsmarkt schlägt sich die Verwaltung nicht sehr erfolgreich. Die Sorgen der Personalabteilungen sind groß.
Deshalb stellt aus unserer Sicht das Thema „Abschied vom Silodenken, Ermöglichung cross-funktionaler Teams“ einen ganz wichtigen Punkt bei der Formulierung von Anforderungen an ein DMS dar. Unter „Vorgangsbearbeitung“ verstehen wir immer „einschließlich Bearbeitung von Vorgängen über Fachbereichsgrenzen hinweg“, also in Silo-sprengenden Teams.

Es klingt für Nicht-Fachleute fast nicht glaubwürdig aber: DMS-Software, die dazu in der Lage ist (Stichwort: „Organisation von Teamräumen im DMS“), ist extrem selten. Viele hersteller haben sich in den letzten Jahren auf ihren Lorbeeren ausgeruht und gehen weiter auf den ausgetretenen Pfaden der Siloorganisation.
Unterstützung von Teamarbeit
Deshalb haben wir ein White Paper verfasst, das die Anforderungen an ein modernes, kollaboratives Dokumentenmanagement (und ganz weit weg von der Papierwelt) formuliert. Es stellt die Begriffe des „Vorgangs“ und des „Vorgangsteams“ in den Mittelpunkt und leitet daraus Leitplanken für ein konkretes Lastenheft ab.
Das White Paper könnt ihr hier herunterladen. Wir sind natürlich sehr an Feedback interessiert. Wenn ihr Einwände, Fragen, Ergänzungen habt, helft ihr uns und der ganzen agilen Verwaltungs-Community, besser zu werden und weniger Sackgassen zu beschreiten.
Im White Paper ist an einigen Stellen von einem Lastenheft in der Gegenwartsform die Rede. Es existiert aber erst im Futur. Es gibt einen Entwurf. Wir sind dabei, ihn noch in einigen Projekten zu erproben, bevor wir ihn veröffentlichen. Wenn ihr uns eine E-Mail schreibt an forumagileverwaltung[et}gmail.com, setzen wir euch jetzt schon auf die Verteilerliste.
Anmerkungen
/1/ https://www.evergabe-online.de/tenderdetails.html;jsessionid=9A0C205310FC6A0C5E7CA7E458F1702E?0&id=130930. Mittlerweile hat die Fabasoft Deutschland GmbH dafür den Zuschlag erhalten.
/2/ Siehe http://www.behoerdenspiegel.info/icc/Internet/nav/1e3/1e360726-d0a0-b331-76b8-d77407b988f2&uCon=6933a19f-34a3-2518-1467-c767b988f2ee&uTem=aaaaaaaa-aaaa-aaaa-bbbb-000000000003