Wir spinnen hier auf unserem Blog ein drittes Mal die Idee weiter (verknüpft mit unserer fiktiven Laborschule in Weit im Winkl), wie befreiend es sein könnte, wenn die Verantwortlichen auf allen Ebenen des Systems Schule begreifen würden, dass man Schüler/innen üblicherweise viel zu wenig ernst nimmt, ihnen viel zu wenig zutraut und damit viel zu wenig von ihnen abverlangt.
In unserer kleinen Story hatten wir Hanno Schmitt vom Regierungspräsidium Freiburg der Laborschule in Weit im Winkl einen Besuch abstatten lassen. Lena, eine Schülerin aus dem Schulsprecherteam, erklärte ihm gerade, welches Wochenthema im schulischen Think Tank diskutiert würde. „Think Tank an der Schule? Was soll das denn sein?“ – „Wissen Sie“, meinte Lena selbstbewusst. „Wir jungen Leute werden uns in 20 Jahren in einer Welt zurechtfinden müssen, von der man heute nur eine vage Ahnung hat. Also müssen wir doch am besten schon jetzt selbst darüber nachdenken, wie wir diese Herausforderung später trotzdem möglichst erfolgreich meistern können.“ Die Schulsprecherin öffnete die Tür mit der fetten Aufschrift „FUTURE“.
Vorne am Aktivboard sah man das Porträt von Jack Ma, dem Multimilliardär und Chef von Alibaba, dem Amazon Chinas.
Ein junger Mann referierte gerade sehr emotional: „ Jack Ma wurde auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gefragt, wie er zum Thema Bildung stehe .. und er meinte: Ändern wir nicht, wie wir bisher unterrichten, dann haben wir in 30 Jahren große Probleme.“ Er begründete seine Aussage mit der Digitalisierung, die in den nächsten Jahren viele traditionelle Arbeitsplätze vernichten würde. „Wir sollten Kindern nichts beibringen, was Maschinen besser können.“ meinte er. Wichtig dagegen wären Werte, Überzeugung, unabhängiges Denken, Teamwork, Mitgefühl – Dinge die nicht durch reines Wissen vermittelt würden. Jetzt seid ihr dran. Was machen wir da für uns draus?“
„Think Tank als Unterrichtsfach“ schlug die kleine Bea aus der 7. Klasse vor und bekam großen Applaus. „Was wir hier machen, das kann keine Maschine.“ …
Hanno Schmitt war tief beeindruckt. Eine Schule, die seit Jahren beste Abiturergebnisse vorzeigen konnte und sich solche Sperenzchen leistete. Oder waren es gar keine Sperenzchen? War er hier Zeuge einer Idee, die er in den letzten Monaten schon öfters gehört hatte: Agiles Lernen und Lehren. Der Blick auf‘s Ganze und die Kunden selbst mit im Boot. Die Schüler/innen im Fokus und nicht nur das Fach. Dieser Schule war es offensichtlich gelungen, starke fachliche Endergebnisse abzuliefern und sich trotzdem zusätzlich einen völlig anderen Lebensraum Schule zu gönnen. Einen, der Schüler/innen als zukünftige Leistungsträger in die Pflicht nahm. „Binden Sie bitte die Laborschule als teilautonome Schule in Ihre Schulverwaltung ein. Sie haben freie Hand. Hochachtungsvoll…“ hatten ihm die Damen und Herren aus dem Kultusministerium mitgeteilt. Also gut, meinte Hanno Schmitt zu sich selbst. Freie Hand. Und zu Lena, der selbstbewussten Schulsprecherin gewandt, meinte er: „Lena, darf ich Sie einmal etwas fragen. Denken Sie, es wäre möglich, dass Sie einmal im Monat eine solche Denkfabrikrunde bei uns im Regierungspräsidium abhalten könnten? Zusammen mit unseren Schulverwaltungsleuten? Ich glaube, das wäre äußerst hilfreich für uns.“
Lena nickte, meinte locker „aber klar doch“, grinste breit und zog Hanno Schmitt weiter durch die breiten und hellen Flure der Laborschule.
Lassen wir unsere kleine Geschichte aus Weit im Winkl einmal so stehen. Unsere Laborschule ist nur eine Projektionsfläche, um Ideen durchzuspielen. Aber wenn man die Idee einer agil arbeitenden Schulbehörde skizzieren will, dann müssen dort ohne Frage Schüler/innen direkt in Prozesse einbezogen sein. Bildungsprozesse müssen nicht nur für die zukünftigen Leistungsträger, sondern mit den zukünftigen Leistungsträgern entwickelt und durchgeführt werden. Maschinen werden in den nächsten Jahren weltweit sehr viele Arbeitsplätze übernehmen, die heute noch von Menschen besetzt sind, die in der üblichen Schul- und Berufsausbildung von gestern gelernt haben. Was sie dort selten auf dem Lehrplan hatten heißt Kreativität, Flexibilität, Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein. Genau das aber werden die Leistungsträger der Zukunft benötigen, um die neuen Jobs, die es haufenweise weltweit geben wird (möglicherweise viel mehr als die wegfallenden), erfolgreich zu bewältigen. Dass man Schüler/innen sehr wohl in den eigenen Lernprozess mit einbeziehen kann, zeigen viele heute schon erfolgreich eingesetzte Unterrichtskonzepte. eduScrum ist eines davon. Zitat: „Jeder möchte gern lernen. Aber zur Schule zu gehen, ist oft nicht so schön. Wir wünschen uns alle Raum und Freiheit und dass wir selbstbestimmt lernen dürfen. eduScrum ist dafür ein geeigneter Prozess. Es gibt Schülern die Herrschaft über ihren eigenen Lernprozess zurück. Die Lehrer bestimmen WAS – die Schüler bestimmen WIE sie lernen wollen.“
Wenn Schulverwaltungen anfangen würden, den Schulen die „Herrschaft“ über ihre eigenen Ausbildungsprozesse zurückzugeben, dann würde man schon bald an vielen Schulen Weit-im-Winkl-Gefühle spüren können.
Heinz Bayer, Veronika Lévesque, Elisabeth Theisohn