Wertversprechen Teil 3: Nutzungszufriedenheit messen
Im Public Service Design ist Nutzungszufriedenheit das zentrale Qualitätskriterium. Wenn keine Nutzungskennzahlen verfügbar sind, können Nutzer*innen-Tests Aufschluss geben.
„Wie zufrieden sind Nutzer*innen mit den kommunalen Service-Prozessen auf service-bw?“
Diese Frage hatten rund 50 Studierende der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg zu beantworten – als praktische Übung während der Lehrveranstaltung Digital Public Service Design am 15. und 16. November 2018.
Im Gegensatz zu „normalen“ Benutzer*innen erhielten sie vorab eine allgemeine Einführung in die E-Government Plattform in Baden-Württemberg service-bw, sowie den Statusbericht Erste Ergebnisse aus dem Live-Betrieb. Für die anschließende Aufgabe standen 30 Minuten zur Verfügung – mehr Zeit, als „normale“ Nutzer*innen für Recherche und Nutzung einer Leistung zu investieren bereit sind.
Aufgabe
„Sucht euch einen Verwaltungsservice aus (am besten einen der kommunalen Pilotprozesse), recherchiert und testet diesen auf service-bw und schreibt einen Blog-Kommentar darüber.“
Ergebnisse
Das Portal service-bw wird insgesamt verstanden und das Potential wahrgenommen. Die Studierenden finden sich zurecht und sind mit Prägnanz und Infos zufrieden.
Die angebotenen Service-Prozesse im Einzelnen und ihre Nutzbarkeit in der Fläche hingegen bieten aus Perspektive der Tester*innen ein trauriges Bild.
Jede Gruppe erstellte einen Blog Kommentar mit ihren Ergebnissen, die im Folgenden ungekürzt dokumentiert wurden:
Liebes Service-BW Team, wir haben heute eure Seite unter die Lupe genommen. Und obwohl wir Digitalisierung wichtig und eure neuen Onlinedienste gut finden, sind wir leider nicht ganz überzeugt. Ihr wisst doch, bei uns jungen Leuten muss immer alles schnell gehen, doch bei knapp 5.000 Suchergebnissen fällt es schwer, das Richtige zu finden. Erst beim dritten Mal wurden wir unter dem richtigen Suchbegriff „Wohnsitz abmelden“ fündig, obwohl ihr uns den eigentlich richtigen Titel „Abmeldung ins Ausland“ vorgegeben hattet.
Auch sind wir Dorfkinder leider vernachlässigt worden und kriegen nur die Telefonnummer unserer Gemeinde raus. Auch die Notwendigkeit eines gefühlten 1000. Benutzerkontos erschwert uns die Sache.
Am Ende gibt’s aber auch noch ein Daumen hoch von uns: es ist übersichtlich, wir kriegen Zusatzinfos zu den Eingaben und können jederzeit an unserem Antrag weiterarbeiten.
Also seid so lieb und arbeitet noch an eurer Suchmaschine, dann bringt ihr uns in Zukunft auch einen Mehrwert.
Grundsätzlich finden wir es gut, dass das Thema „Digitalisierung“ in der Verwaltung Anschluss findet. Die zentrale Darstellung und Bereitstellung von zentralen Informationen können dazu beitragen, den Service-Gedanken umzusetzen.
Die konkrete Umsetzung erscheint uns dennoch sehr mangelhaft.
Für die meisten Behörden und Vorgänge sind keine Dienstleistungen vorhanden. Man könnte doch die Kommunen gesetzlich an der Teilnahme und der Bereitstellung von Formularen verpflichten!
Bezugnehmend auf den Beitrag von Andreas Pelzner war unsere Erwartungshaltung an service-bw sehr hoch. Wir erhofften uns einen großen Automatisierungsgrad im Livebetrieb von service-bw, der selbsterklärende Formulare sowie einen transparenten und einfachen Aufbau beinhalten. Des Weiteren versprachen wir uns durch die Prozessoptimierung eine enorme Zeitersparnis, sowohl für den Nutzer, als auch für den Mitarbeiter. Als wir den Livetest wagten, wurden wir jedoch gnadenlos enttäuscht. Voller Elan testeten wir einige Kommunen in Baden-Württemberg auf die Online Beantragung eines Bewohnerparkausweises. Daraufhin die Ernüchterung – nach schnellem Durchklicken zum Onlinedienst, die Nachricht: „Keine Formulare & Onlinedienste vorhanden“. Nicht einmal unsere Landeshauptstadt konnte unsere Erwartungen erfüllen. Hier erhielten wir lediglich ein paar Informationen zur Dienstleistung und den Hinweis, sich beim zuständigen Amt persönlich vorzustellen. Somit profitierten wir als Nutzer nicht von den oben genannten Vorteilen. Anstatt der erhofften Zeitersparnis, kostete uns der Vorgangzusätzlich wertvolle Zeit und Nerven. Wir stießen bei unserer Internetrecherche lediglich auf ein erfreuliches Musterbeispiel. Hier wurden alle unsere Erwartungen erfüllt und wir konnten den Onlinedienst effizient und intuitiv nutzen.
Ich bin heute auf deinen Beitrag zum Thema „Erste Ergebnisse aus dem Livebetrieb von Service-BW“ gestoßen. Super interessanter Beitrag Andreas!! Ich habe dann direkt selbst mal gestöbert und muss wirklich sagen, dass die Grundidee wirklich gelungen ist und unbedingt weiterverfolgt werden muss. Allerdings haben die Anwendungen nicht wie erhofft funktioniert, denn meine Erwartungshaltung war, dass ich über die Seite Service-BW direkt meinen Antrag für einen Reisepass ausfüllen und sogleich abschicken kann. Leider war dies in vielen Kommunen nicht möglich. Zwar wird erklärt, was man machen muss, aber es steht für die Kunden kein Onlineformular zur direkten Beantragung zur Verfügung. Zudem möchte ich anmerken, dass die Suchfunktion noch nicht ausgereift ist, da die Ergebnisse viel zu unspezifisch und breitgefächert sind.
Positiv finde ich, dass man bei manchen Kommunen bereits Bewohnerparkausweise beantragen kann. Dies erleichtert vieles und erspart einem den Gang zum Amt. Des Weiteren funktioniert das Einreichen der Beihilfeanträge des LBVs bereits sehr, sehr gut. Insgesamt finde ich es eine super Lösung, um Bürgern den Zugang zu Dienstleistungen zu erleichtern. Die Website ist sehr ansprechend gestaltet. Für die Zukunft müssen einfach nur noch mehr Kommunen ins Boot geholt werden! Weiterhin viel Erfolg und bleibt dran!
Sehr geehrter Herr Pelzner, Sie sprechen von einfachen, standardisierten Online-Diensten, die eine große Zeitersparnis und eine automatisierte Weiterverarbeitung der Datenermöglichen. Leider konnten wir dies nach unserem Praxistest nicht bestätigen, was ziemlich ernüchternd war. Wir waren auf der Suche nach einem Bewohnerparkausweis für die Gemeinde Sonnenbühl. Hierfür stehen leider keinerlei Formulare zur Verfügung. Für die Stadt Ludwigsburg werden auf Service-bw zwar Online-Formulare zur Verfügung gestellt, allerdings ist dieses Formular nicht aufrufbar (Error 404). Auf der Suchenach einem Handwerkerparkausweis, waren nur Suchergebnisse für die Metropolregion Rhein-Neckar zu finden. Leider stellten wir ernüchternd fest, dass für unsere Region keinerlei Leistungen und Formulare vorhanden sind. Deshalb finden wir es nicht effektiv, dass es zwar angekündigt wird und falsche Erwartungen geweckt werden, diese dann aber nicht erfüllt werden. Man verspricht sich mehr. Es ist eine gute Idee und ein super Ansatz, der aber auchentsprechend und umfassend umgesetzt werden sollte. Ihre Lieblingsstudenten.
Die Studierenden zeigen, dass praktisches Ausprobieren lehrreich ist und Spaß macht. Der Wechsel zur Nutzer*innen Perspektive ist für Kommunen und Dienstleister eine Herausforderung: Nicht einfach, aber zwingend notwendig, um die Qualität digitaler Leistungen zu erreichen und zu verbessern.
Finden wir im nächsten und letzten Teil dieser Serie eine „gute“ digitale Verwaltungsleistung? Die leicht zu recherchieren ist und tatsächlich genutzt wird? Man darf gespannt sein.
Bisherige Beiträge der Serie:
Teil 1 Wert versprechen
Teil 2 Weiter auf der Suche nach der „guten“ digitalen Verwaltungsleistung
Und weiter geht es mit Erfahrungen kurzer Nutzer-Tests durch Hochschul-Studierende.
Diesmal an der Dualen Hochschule Villingen-Schwenningen, durchgeführt im Februar 2019.
Es ergibt sich ein ähnliches Bild: service-bw ist weitgehend unbekannt. Das Portalkonzept für Service-Prozesse wird jedoch als sehr sinnvoll beurteilt. Beim praktischen Ausprobieren werden die Erwartungen enttäuscht.
Die Ursachen sind komplex: Mal liefert die Suche keine oder keine sinnvollen Ergebnisse, mal haben Kommunen nicht existierenden Dokumente verlinkt, mal auf eigene Prozesse verlinkt anstelle auf die von service-bw, mal werden übliche Nutzergewohnheiten komplett ignoriert. Die Studierenden liefern einige Hinweise auf Verbesserungsansätze.
Einige Hausaufgaben – auch für Freiburg.
Hier die Rückmeldungen der 3 Studierenden-Gruppen im Einzelnen:
Gruppe 1:
Die Lektüre des Artikels „Ergebnisse des Livebetriebs“ weckte sehr große Erwartungen. Natürlich wollten wir sofort das neue Portal ausprobieren und haben uns die Funktion „Abmelden wegen Umzug ins Ausland“ vorgenommen.
Nach einigem Probieren wurde die entsprechende Funktion auf dem Portal gefunden. Im ersten Versuch wurde die Stadt Villingen-Schwenningen angegeben. Nach einiger Suche zeigte die folgende Seite sogar den Link zum angeblichen Formular, leider funktionierte der Link nicht, da das Formular nicht existiert.
Im zweiten Versuch wurde die Stadt Freiburg gewählt. Hier funktionierte der Link, leider benötigte die weitergeleitete Seite drei Zertifikate, deren Passwörter abgefragt wurden. Auf einem alternativen Rechner funktionierte der Zugriff auf das Formular der Stadt Freiburg. Dieses unterliegt keiner Plausiblitätsprüfung, so wurde zum Beispiel das Bundesland Bayern als Ausland akzeptiert und auch Zahlen im Vornamen stellten für die Einreichung des Formulars keinerlei Probleme dar.
Insgesamt sind wir aufgrund der geweckten Erwartungen sehr enttäuscht.
Gruppe2:
Voller Enthusiasmus haben wir uns die Seite service-bw angeschaut. Die Startseite verweist nur mit etwas Glück direkt auf Leistungen oder Formulare, die man ausfüllen kann. Wenden wir uns den Pilotprojekten zu: Sofern man den Namen der Leistungen kennt, sind diese einfach zu finden. Problematisch ist, dass man dazu auch noch den Namen der Kommunen kennen muss, die diesen auch tatsächlich anbietet. Die meisten tun dies aktuell nicht. Am Beispiel der Stadt Freiburg können wir uns das mal anschauen: Nachdem wir die Leistung Wohnungsgeberbescheinigung geöffnet haben, werden wir aufgefordert den Dienstleistungsort einzugeben. Daraufhin wurden wir hingewiesen, dass diese Leistung online nicht zur Verfügung steht. Kontaktdaten zur Behörde werden ebenfalls nicht gegeben.
Bei einer Google-Suche nach „Wohnungsgeberbescheinigung Freiburg“ werden wir auf die Homepage der Stadt Freiburg verwiesen, wo wir zu einem Online-Formular – nicht von service-bw- geleitet werden. Natürlich würden wir uns wünschen, wenn die Leistung schon nicht in service-bw integriert ist, dass man uns wenigstens per Link auf das Angebot verweist.
Zurück zur Startseite:
Eine unserer Koryphäen hat komplett nach unten gescrollt, um den Ärger im Kontaktformular loszuwerden (was an der Stelle der Leistung nicht möglich ist). Dort wurde neben dem Kontaktformular eine Auflistung von Lebenslagen gefunden, was sich als überaus nützliche Ansicht zeigt. Hier wurden nach Kategorien unterteilt allerlei Situationen aufgelistet, in denen ein Bürger sich befinden kann. Bei einem Klick auf eines dieser Szenarien konnte man alle zugeordneten Leistungen auf einen Blick sehen.
Diese überausnützliche Darstellung war leider etwas versteckt und wäre als Startseite aus unserer Sicht großartig.
Insgesamt sind einige Dinge ein bisschen schwierig zu finden, zumindest ohne Vorkenntnisse, und gelegentlich wird man aufgrund der fehlenden Leistungen, und dann leider fehlenden Kontaktinformationen, ausgebremst. Die Zentralisierung der Dienste ist aber eine gute Idee.
Gruppe 3:
Der Blogbeitrag „Ergebnisse des Livebetriebs“ lässt vermuten, dass die Seite intuitiv und effizient zu benutzen ist. Leider ist beim Test die Registrierung nicht möglich. Die Registrierungsübersicht hat teilweise unklare / unübliche Feldbenennungen. Es wird nach einem Benutzernamen/Emailadresse gefragt und anschließend soll eine alternative Emailadresse eingeben werden. Erwartungsgemäß musste das Konto mithilfe eines Links in einer Email bestätigt werden. Nach einem Einlogversuch, kam die Meldung, dass der Opt-In Token ungültig wäre und man wurde gefragt, ob der Account vielleicht bereits aktiviert wurde. Ein genauerer Test des Portals war nicht möglich.
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