„Agiles Arbeiten in der öffentlichen Verwaltung – (K)ein Widerspruch in sich!?“

Von Corinna Höffner, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „AgilKom“ & Prof. Dr. Anja Seng, stellv. Projektleitung

Am 16. Dezember 2021 war es dann so weit: nach dreijähriger Projektlaufzeit fand die virtuelle Abschlussveranstaltung des INQA-Experimentierraums „AgilKom“ (Experimentierräume in der agilen Verwaltung) statt. Das Interesse war riesig: knapp 400 Personen hatten sich zur Veranstaltung angemeldet. „Was für ein großartiger Erfolg und Beleg dafür, dass die Einführung neuer Arbeitsweisen ein großes Thema für die öffentliche Verwaltung ist“, sagte Prof. Dr. Gottfried Richenhagen, Direktor des ifpm Institut für Public Management der FOM Hochschule und Projektleiter, in der Opening Session, der gemeinsam mit der stellvertretenden Direktorin und Projektleiterin Prof. Dr. Anja Seng durch die Veranstaltung führte.

Opening Session von Prof. Dr. Gottfried Richenhagen und Prof. Dr. Anja Seng (Sketchnote von Birgit Schiche)

Dank der virtuellen Umsetzung waren über 160 Teilnehmende aus ganz Deutschland dabei; Beschäftigte öffentlicher Organisationen auf verschiedenen Ebenen und aus unterschiedlichen Behörden trafen sich zum Erfahrungsaustausch.

Standort der virtuell-Teilnehmenden (Ergebnis der Mentimeter-Abfrage)

Mit ihrer Keynote zum Einstieg skizzierte Dr. Julia Borggräfe, Leiterin der Abteilung Digitalisierung und Arbeitswelt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die Zukunft der modernen Verwaltung anhand von acht Handlungsfeldern. In Bezug auf das Miteinander in der Organisation wies sie darauf hin, dass Agilität und Veränderungsfreude auf Seiten der Verwaltungsbeschäftigten, aber auch im politischen System insgesamt gezielt gefördert werden müssen.

Nanz et al (2021): Eine moderne Verwaltung ist Voraussetzung für Deutschlands Zukunftsfähigkeit und Demokratie – Acht Handlungsfelder für die nächste Bundesregierung

Prof. Dr. Hermann Hill beschrieb daran anknüpfend Agilität als Bestandteil einer neuen Verwaltungskultur und hob insbesondere die Bedeutung der Ausrichtung an Kund*innenbedürfnissen hervor – seien es nun Bürgerinnen und Bürger oder die Beschäftigten einer Verwaltung.

Befragt nach einer Selbsteinschätzung zu agilen Arbeitsweisen, signalisieren die Teilnehmenden bereits Interesse und Bereitschaft, sich mit diesen neuen Themen auseinanderzusetzen, doch eine umfängliche verwaltungsinterne Etablierung neuer Ansätze scheint weniger verbreitet. Daher war es für die Teilnehmenden der Veranstaltung umso spannender, über die tatsächlichen Möglichkeiten zur Etablierung agiler Ansätze anschließend in verschiedenen Formaten mit den unterschiedlichen Akteur*innen zu diskutieren:

Selbsteinschätzung der Teilnehmenden

Besondere Beachtung erhielt die von Ricarda Oberreuter, Dezernentin der an AgilKom beteiligten Praxisorganisation Kreis Soest, beschriebene Experimentierklausel, die gemeinsam mit dem Personalrat verabschiedet wurde und den Mitarbeitenden Raum für neue, agile Arbeitsweisen bietet. Dr. Judith Beile, wmp consult und Projektleiterin des INQA Projekts „Führung in der digitalisierten öffentlichen Verwaltung (FührDiV)“, betonte neben einer konstruktiven Fehlerkultur die Bedeutung der Einbindung der Interessensvertretungen. Christian Wille, ver.di, bestätigte, dass aus agiler Arbeit gute Arbeit gemacht und dazu die partizipativen Elemente abgesteckt werden müssen.

Die aus dem Plenum gestellten Fragen „Wie wurde das Thema Agilität in die Organisation gebracht? Wie wurden die Mitarbeitenden mitgenommen?“ konnte aus verschiedenen Perspektiven beantwortet werden:

Peter Adelskamp, CDO der an AgilKom beteiligten Praxisorganisation Stadt Essen, sagte, dass eine Allianz der Interessierten gebildet werden muss, mit denen sehr praxisnah neue Methoden ausprobiert und Erfolge transparent gemacht, um damit zu zeigen zu können, in welcher Form neue Arbeitsweisen das gemeinsame Tun verbessern. So kann auch mit dem Vorurteil, dass Agilität nur Chaos verursache, vorgebeugt werden. Kathrin Seiter, von der KGSt führt an, dass Methodenkenntnisse einerseits und die Haltung zur Veränderung andererseits grundlegende Voraussetzung für die Transformation sind. Yvonne Balzer, Mitglied der Geschäftsführung von PD – Berater der öffentlichen Hand, ergänzte, dass dabei die individuelle Kultur jeder einzelnen Organisation zu berücksichtigen ist. Dr. Helma Hagen, Führungskraft im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, unterstrich die besondere Vorbildfunktion der Führungskräfte.

Die genannten Faktoren spiegeln sich auch in den Erfahrungen der AgilKom-Projektakteur*innen wider, die aktuell im Rahmen der AgilKom Handlungshilfe zusammengetragen werden. Die beiden wissenschaftlichen Mitarbeitenden, Corinna Höffner, ifpm Institut für Public Management der FOM Hochschule, und Dominik Modrzynski, Lehrstuhl für Betriebspädagogik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, gaben erste Insights und machten die Teilnehmenden neugierig auf das abschließende Produkt des Projekts. (Das AgilKom-Projektposter ist hier zum Download verfügbar.) Praxisorientiert werden in der voraussichtlich im Januar 2022 erscheinenden Handlungshilfe fördernde und hemmende Faktoren bei der Einführung agiler Arbeitsweisen vorgestellt, mit Hilfe von „Stimmen aus der Praxis“ belegt und anhand konkreter Beispiele transferorientiert aufbereitet.

In der Abschlussveranstaltung selbst hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, die herausgearbeiteten fördernden und hemmenden Faktoren in Rangfolge zu bringen. Der einflussreichste Faktor ist auf dem ersten Rang.

Fördernde Faktoren in Rangfolge
Hemmende Faktoren in Rangfolge

Besondere Aufmerksamkeit bekam auch die neue Bedeutung von Netzwerken – sowohl innerhalb der einzelnen Organisation als auch über deren Grenzen hinaus, werden „good practices“ geteilt. Das Netzwerk Agile Verwaltung, repräsentiert durch Michaela Claas, Stadt Bochum, und Margarete Plage, Stadt Essen, konnte anhand des „Agilen Forums“ in NRW exemplarisch aufzeigen, welche positive Dynamik von solchen Zusammentreffen ausgehen kann und welche Wirkung diese auf das agile Mindset der Kolleg*innen haben.
„Die Einführung agiler Arbeitsweisen ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“, so ein Beteiligter im Projekt AgilKom. „Hierfür gibt es jedoch keine Blaupause“, sagt Prof. Dr. Anja Seng in der gemeinsamen Abschlussrunde im Plenum, „doch mit der Inspiration durch einen offenen und übergreifenden Austausch durch Netzwerk- und Transferveranstaltungen, wie der AgilKom-Abschlussveranstaltung, und den Ansätzen in der AgilKom-Handlungshilfe, können die Herausforderungen mit neuen Arbeitsformen im Verwaltungsalltag angegangen werden. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg dabei!“

Zu bewältigende Herausforderungen mit neuen Arbeitsformen in Verwaltungsalltag

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie auf der Website des ifpm Institut für Public Management der FOM Hochschule und auf den Seiten der Initiative Neue Qualität der Arbeit.

Das Projekt AgilKom wird im Rahmen der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert und von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) fachlich begleitet.

Autor: ifpm_fom

Am ifpm Institut für Public Management der FOM Hochschule forschen wir zu Führung, Digitalisierung und neuen Arbeitsweisen in der öffentlichen Verwaltung. Im INQA Experimentierraum AgilKom haben u.a. Corinna Höffner (wiss. Mitarbeiterin) und Prof. Dr. Anja Seng (stellvertr. Projektleitung) zu agilem Arbeiten in der öffentlichen Verwaltung geforscht.

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