Von Ordnung, Zuordnung, Einordnung ….. und ganz im Gegenteil

Es gibt vier Arten von ….
(was wünscht sich die geneigte Leserschaft hier zu lesen?
In welchem Thema sollen wir mit der Vier-Arten-Zuordnung heute einmal Ordnung schaffen?)

Es gibt vier Arten von …


…digitalen Nomaden.

Steht da im Titel eines Artikels meiner Blogleseliste. Ich bin ja selber so eine. Also lese ich natürlich den Artikel. Vielleicht kann ich da ja etwas dazu lernen. Am Schluss angekommen steht da:

«In Wirklichkeit gibt es keine vordefinierten Muster und keine geschriebenen Regeln mehr. Man erfindet seinen Alltag als Remote Worker neu. Denn wir sind alle unterschiedlich. Unsere Erwartungen an Reisen und selbstständiges Arbeiten können von Person zu Person unterschiedlich sein.»

https://www.famille-nomade-digitale.com/les-4-types-de-digital-nomads/ (Übersetzung V. Lévesque)

Diesem letzten Absatz kann ich durchaus zustimmen. Ich habe mich in der Auflistung der Kategorien, wie meistens in solchen Typisierungen, ganz gleich zu welchem Thema, nicht einmal zu- und schon gar nicht einordnen können.

Warum klassifizieren? Warum wirken solche «es gibt x Arten von…- Teaser» so einladend und finden sich in so vielen Titeln und Aufklärungsversprechen?

Geht es um Einordnen? Darum, besser zu verstehen, wie die Welt um uns ist und sie begreifbarer zu machen? Woher kommen das Bedürfnis und der Bedarf? Was macht den Reiz aus, wenn das Erleben und Ausprobieren dann dem typisierten Kategorisieren unterliegt?

Darin wohnt sicher der Wunsch nach Verstehen und wohl auch eine Absicherung gegen Willkür – an Kategorien kann man die Realität messen.
Das ist durchaus
– in VUKA– Zeiten (volatil, unsicher, komplex und der Ambiguität unterliegend, also mehrfachlesbar)
und in BANI-Kontexten (brittle = bröckelig, anxious = beängstigend, non-linear, incomprehensible = unverständlich resp. schwer nachvollziehbar) -Zeiten
– ein rechter und gesuchter Wert.

Gleichzeitig liegt dem Kategorisieren immer auch eine Beurteilung inne:
Ist das, was ich vorfinde, so, wie die Kategorie beschrieben oder definiert ist? Oder erfüllt es die Kriterien für diese Kategorie nur zum Teil oder gar nicht genug…?
Es macht so das Sich-dazu-Positionieren etwas einfacher – und manchmal auch zu einfach. Je konkreter, detaillierter und damit leichter zugänglich sie sind, die Kategorien, desto besser erfüllen sie das Bedürfnis nach begreifbar machen – und desto weniger zutreffend sind sie auf den grössten Teil dessen, was gerade passiert. Insbesondere in VUKA– und BANI-Zeiten.

Es auch eine Einschränkung:
Die meisten Kategorien, die den Wunsch nach sichererer Beurteilung erfüllen, sind rückwärtsbezogen auf Altes und Bekanntes. Neues und Innovatives hat es da grundsätzlich schon einmal schwer, in solchen Typisierungen einigermassen gerechtfertigt eingeordnet zu werden – weil es ja neu und anders ist und der Be-Messung-sgrundlage damit automatisch kaum standhält.

So verstärkt die Kategorisierung, die doch Sicherheit durch die einfache Zu- und Einordnung des Geschehens in bewegten, unsicheren und veränderungsschnellen Zeiten wiederherstellen soll, das Gefühl der Verunsicherung.

Dieses Phänomen der «Überdetaillisierung» zum mehr oder weniger gefühlten Absichern von Situation oder Ergebnis ist weit verbreitet und findet sich auch zum Beispiel auch in der Rechtslegung wieder. Und in Verwaltungen.
Und führt zu manches mal skurrilen Auswüchsen. Weil immer weniger sich in den bekannten oder überhaupt in Kategorien abbilden lässt.

«In Wirklichkeit gibt es keine vordefinierten Muster und keine geschriebenen Regeln mehr. Man erfindet seinen Alltag als Remote Worker neu. Denn wir sind alle unterschiedlich. Unsere Erwartungen an Reisen und selbstständiges Arbeiten können von Person zu Person unterschiedlich sein.»

https://www.famille-nomade-digitale.com/les-4-types-de-digital-nomads/

Das immer weniger Vorhandensein von allgemeingültigen gesellschaftlichen und sozialen oder auch professionsbezogenen Mustern und Regeln als Zeitgeistthema. Bleiben dann nur psychologische Grundbedürfnisse des Menschen als die letzte Bastion des Beständigen? Vielleicht… . Oder ganz anders. Damit umzugehen ist eine der Malaisen der Zeit, in der wir alle leben. Das Alte ist dabei sich aufzulösen, das Neue noch nicht gefasst sagt Frédéric Laloux in Reinventing Organizations. Leben in Zwischenräumen.

Ich habe für mich, privat und professionell, nomadisierend und ambulant,  verschiedene Umgänge damit. Insbesondere zum Beispiel diese beiden:

  • „Gelegenheitsfenster“, um Situationen erkennen und nutzen zu können. Das habe ich hier schon einmal beschrieben.

und

  • „Prinzipien mehr als Regeln“. Aber das ist Stoff für einen zukünftigen Artikel. Oder ein Buchkapitel. Gell Wolf?

Autor: Veronika Lévesque

Veronika Lévesque ist beim Institut für Arbeitsforschung und Organistionberatung iafob Organisationsbegleiterin. Und Projektmensch mit einer Vorliebe für Fragen, für die es noch keine fertige Antwort gibt. Begeisterte Grenzgängerin: Unterwegs in 4 Ländern, 3 Sprachen und am liebsten in den Zwischenräumen zwischen Disziplinen. Schwerpunkte: Transformationshebammerei, Organisations- und Entwicklungshandwerk (Manufaktur, nicht von der Stange), Agile Spielfelder in nicht-agilen Umwelten, Methodenentwicklung, Umgang mit Nicht-Planbarem, Bildungssysteme vs. nicht-formale Bildungswege und 'Fehler machen schlauer.’

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